Selbst für PR-Praktiker immer wieder eine Überraschung: Ein Wirtschaftsjournalist erhält pro Tag gut an die 100 Presseaussendungen per eMail. In Worten: einhundert. Oder sogar mehr. Das macht in einer durchschnittlichen Arbeitswoche also rund 500 Aussendungen. Berücksichtigt man, dass ein Redakteur, der zum Beispiel bei einem Wochenmagazin arbeitet, vielleicht Platz für eine einzige Meldung pro Ausgabe hat, ist klar, welch enormem Konkurrenzdruck Aussendungstexte standhalten müssen.
Das ist die schlechte Nachricht für Absender von PR-Botschaften.
Die allermeisten dieser Presseaussendungen sind allerdings – das ist ein kleines Geheimnis aus der Praxis – leider wirklich schlecht formuliert und daher oft mehr oder weniger untauglich. 90 Prozent aller Aussendungen, die in die Mailbox trudeln, scheiden bereits aus – einfach nur weil sie miserabel formuliert sind. Man kann sich also allein schon durch einen professionell abgefassten Text einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber den vielen anderen Aussendern verschaffen.
Das ist die gute Nachricht.
Aber wann ist ein Text nun professionell abgefasst? Es gibt eine einfache Antwort – wenn er journalistischen Anforderungen genügt. Das ist dann der Fall, wenn das Thema gut gewählt ist, wenn alle W-Fragen idealerweise gleich zu Beginn beantwortet werden, wenn formale Kriterien eingehalten wurden und vor allem, wenn die Sprache nicht marktschreierisch, sondern journalistisch gewählt ist.
Um nicht zu sehr in theoretische Betrachtungen abzugleiten, drehen wir den Spieß einmal um und erzählen nun, wie es nicht geht. Sie finden hier die fünf größten Todsünden, die man beim Verfassen eines Presstextes begehen kann:
Lasst uns lustig sein! Es ist ein leider immer häufiger vorkommendes großes Missverständnis: Pressetexte sollen möglichst originell und witzig sein. Das ist falsch, genau das Gegenteil ist der Fall. Flapsige Formulierungen, originelle Anekdoten, witzige Bonmots mögen in Werbetexten ihren Platz haben – in guten Pressetexten stören sie nur. Die Währung, die einen Text für Journalisten wertvoll macht, heißt ausschließlich: Informationsgehalt. Pressearbeit ist nicht Entertainment, sondern Information. Nüchtern und neutral formuliert ist ungleich besser, als originell und witzig abgefasst. Mit Texten, die gut in einen Werbeflyer passen würden, kann ein Journalist überhaupt nichts anfangen.
Wir sind super! Superlative haben in Pressetexten nichts verloren, Journalisten können mit Eigenlob der Aussender überhaupt nichts anfangen. Verwechseln Sie daher einen Pressetext nicht mit einer Marketing-Botschaft. Neutrale Information ist wichtig. Wenn man behauptet, irgend etwas besonders gut gemacht zu haben oder besonders gut zu können, dann ist das Hinzufügen einer neutralen Person oder Institution nötig, die das bestätigt. Sonst ist es verbotenes Eigenlob – und das führt in den meisten Fällen dazu, dass der Pressetext sofort im Papierkorb des Mailprogramms landet. Beispiel: „Die Firma Mustermann, der klare Marktführer in Österreich …“, geht als Formulierung so überhaupt nicht. Sollte es aber eine Untersuchung zum Beispiel eines Marktforschungsinstitutes gibt, die das bestätigt, wäre folgende Formulierung völlig in Ordnung: „Die Firma-Mustermann, laut einer Untersuchung des Meinungsforschers ABC aus vergangenem Herbst Marktführer in Österreich, …“
So haben wir´s in der Schule gelernt! Pressetexte folgen ihrer eigenen Struktur und müssen völlig anders aufgebaut werden als zum Beispiel Erlebnisaufsätze. In der Schule haben wir seinerzeit alle gelernt: Zuerst kommt die Einleitung, dann der Hauptteil mit Pro- und Contra-Argumenten, dann der Schluss mit der Conclusio – so bekommt man auf seinen Deutsch-Aufsatz einen Einser. Bei einem Pressetext wäre das jedoch ein glatter Fünfer. Presseaussendungen funktionieren anders: Das Wichtigste – die Hauptbotschaft – steht am Anfang, idealerweise werden alle sechs W-Fragen gleich im ersten Absatz oder überhaupt bereits in den ersten zwei, drei Sätzen beantwortet. Der Rest ist nur mehr Ergänzung und Erweiterung. Eine gute Presseaussendung ist aufgebaut wie eine Pyramide. Was das bedeutet, erzählt Ihnen demnächst einer der kommenden Blogbeiträge auf dieser Website.
So ausführlich wie möglich! Falsch. Gute Presseaussendungen sind nicht länger als eine Seite (und zwar in normaler Schriftgröße und mit normalen Zeilenabständen beschrieben). Als Faustregel gilt: Was sich argumentativ nicht auf einer Seite unterbringen lässt, eignet sich nicht für eine Presseaussendung. Wer mit einer Seite nicht das Auslangen für seine Botschaft findet, sollte sich andere Varianten des Publizierens überlegen, es gibt genug andere Möglichkeiten.
Wir erledigen´s in einem Aufwaschen! Auch das ist falsch. Die Versuchung, gleich mehrere Themen unterzubringen, wenn man sich schon die Mühe einer Presseaussendung macht, liegt nahe. Man schneidet sich damit aber nur ins eigene Fleisch, weil man seiner Botschaft selbst Konkurrenz macht. Außerdem wird es dann tatsächlich schwierig, mit einer einzigen Seite als Textlänge das Auslangen zu finden. Eiserne Regel: ein Thema, eine Botschaft pro Aussendung. Wer mehr zu sagen hätte, kann ja in einer oder zwei Wochen die nächste Aussendung folgen lassen – und so die Chancen erhöhen, gleich noch einmal in der Zeitung zu stehen.
Natürlich sollte man darüber hinaus auch noch einige formale Vorgaben beachten, etwa diese: Immer einen Rückfragehinweis anbringen. Einen guten (= journalistisch tauglichen) Titel plus Übertitel finden. Das Wichtigste eventuell in einem Vorspann vor den Text stellen. Keine akademischen Titel zu den Namen stellen und Vornamen immer ausschreiben. Zahlen von 1 bis 12 als Ziffern und alle Zahlen darüber ausschreiben. Fotohinweise korrekt anbringen (wie das geht, steht hier: bitte klicken) und so weiter.
Vor allem jedoch sollte man der Versuchung widerstehen, sich selbst für den größten Pressetexter aller Zeiten zu halten, wenn man das nicht hauptberuflich macht – nur weil man in der Schule gut in Deutsch war. Das Verfassen von Pressetexten benötigt Profis – und die sitzen entweder in seriösen PR-Agenturen oder in spezialisierten Redaktionsbüros, wie zum Beispiel writing factory eines ist. Der etwas höhere finanzielle Aufwand, wenn man diese Experten beschäftigt, lohnt sich auf jeden Fall – weil er die Chancen erhöht, dass die Presseaussendung dann statt im Papierkorb tatsächlich dort landet, wo man sie haben will: in der Zeitung.