Eine wichtige Zutat aus der Texter-Küche: der Küchenzuruf
Beginnen wir doch einfach mit einer Frage: Wissen Sie, wer Henri Nannen war? Den jüngeren Semestern unter Ihnen sagt der Name womöglich nichts mehr. Aber Sie, geschätzte Blogleser und -leserinnen, die Sie sich im allerbesten Alter befinden, wissen vermutlich noch etwas damit anzufangen. Henri Nannen war einer der berühmtesten deutschen Publizisten und Verleger, Gründer des Magazins „Stern“, Gründer der immer noch bekanntesten deutschen Journalistenschule, kurz: ein echter Doyen der Medienbranche.
Und Henri Nannen war der Erfinder des „Küchenzurufs“.
Jede gute Geschichte, egal ob journalistisch erzählt oder prosaisch, ob geschrieben, gesprochen oder in Bewegtbildern weitergegeben, braucht einen. Der Küchenzuruf ist eines der wesentlichen Werkzeuge guter Storyteller und Text-Köche. Und das wichtigste Tool, wenn man seinen Text plant. Egal ob es sich dabei um eine Aussendung für die Medien, eine Rede für den Firmenchef, eine Reportage für das Mitarbeitrmagazin oder sonst eine schreiberische Herausforderung handelt. Jeder gute Text, von dem etwas bei seinen Lesern, Hörern oder Zusehern hängen bleiben soll, braucht einen Küchenzuruf.
Und was ist das jetzt genau, dieser Küchenzuruf? Ganz einfach: Der Küchenzuruf ist die die in einem oder zwei Sätzen zusammengefasste zentrale Aussage eines Textes – die Kernbotschaft.
Bevor Sie zu schreiben beginnen, egal welchen Text, müssen Sie wissen, was Ihre Kernbotschaft sein soll. Formulieren Sie sie für sich selbst in einem oder zwei Sätzen. Gelingt Ihnen das nicht, haben Sie ihre Geschichte noch nicht gut genug durchdacht. Fragen Sie sich: Wenn Ihr Leser den Text gelesen hat und danach seiner Ehefrau zu Hause in einem Satz erzählen muss, was drin steht, was der Succus ist – wie würde dieser Satz lauten? Und genau diesen Satz behalten Sie beim Schreiben immer im Hinterkopf. Das wird Ihnen helfen, das Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren, das Sie mit Ihrem Text erreichen wollen, den Roten Faden nicht aus der Hand zu geben, sich nicht zu verzetteln, den Text nicht ausfransen zu lassen.
Zum Schluss noch – warum dieser seltsame Name, warum „Küchenzuruf“?
Henri Nannen war das Kind einer anderen, vergangenen Zeit. Als er am Höhepunkt seines Schaffens war, galten noch klassische Rollenbilder: Der Mann saß abends im Lehnsessel im Wohnzimmer, die Frau hantierte in der Küche mit dem Abwasch. Der Mann las einen interessanten Artikel in der Zeitung und wollte seiner Frau vermitteln, was drin steht. Weil in der Küche das Geschirr klapperte und er um zwei Ecken zu rufen hatte, musste er sich kurz fassen – also einen, maximal zwei Sätze. Daher: Küchenzuruf.
Und was wäre jetzt, bitteschön, der Küchenzuruf dieses kurzen Textes? Wie wäre es damit:
„Bevor man zu schreiben beginnt, braucht man für seinen Text unbedingt einen Küchenzuruf. Der ist wichtig und macht den Text um vieles besser.“